Kongress der IEA (International Ergonomics Association): die Highlights – aktuelle Themen im Bereich Ergonomie am Arbeitsplatz

9.9.2021
Wo könnte man sich besser über das aktuelle Geschehen im Bereich der Interaktion zwischen Mensch und Maschine bzw. der Ergonomie informieren als bei der 21. Auflage des alle drei Jahre stattfindenden Kongresses der International Ergonomics Association?

Im Juni 2021 diskutierten rund 1.300 Teilnehmer aus aller Welt eine Woche lang virtuell die Rolle neuer Technologien am Arbeitsplatz. Aus dem Informationsaustausch zwischen Wissenschaftlern und Fachleuten aus der Praxis ergaben sich 800 Präsentationen, ein 4.500 Seiten starker Tagungsband und zahlreiche interessante Diskussionen zu den relevanten Themen, die inmitten der Industrie 5.0 alle betreffen.

Ein viel diskutiertes Thema waren dabei unter anderem neue Technologien wie die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter, künstliche Intelligenz und Exoskelette, die künftig als Hilfsmittel eingesetzt werden sollen, um arbeitsbedingten Muskel-Skelett-Erkrankungen (aMSE) vorzubeugen.

Treston news about International Ergonomics Association Congress, with Cobot example from ABB
Bild mit freundlicher Genehmigung und Eigentum von ABB

 

Arbeitsbedingte Muskel-Skelett-Erkrankungen (aMSE) weiter stark verbreitet

Trotz vieler EU-weiter Erfolge im Bereich Ergonomie am Arbeitsplatz, wie zum Beispiel einer Reduktion im Bereich Heben und Tragen schwerer Lasten, und einer zunehmenden Anzahl von Risikobewertungen und Präventionsmaßnahmen am Arbeitsplatz ist es immer noch schwierig, die Häufigkeit von aMSE zu verringern.

Trotz der zunehmenden Verbreitung von Robotern ist die manuelle Arbeit zumindest in der Logistik noch nicht deutlich weniger geworden. Obwohl es viele Beispiele an hoch automatisierten Logistikzentren gibt, werden noch immer 80 % der Lager manuell betrieben. Bei diesen Aufgaben müssen oft Lasten geschoben, gezogen oder angehoben und getragen werden. 

Cobots und Exoskelette sorgen für mehr Gesundheit am Arbeitsplatz

Hinsichtlich der Technologien für die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter sind viele wesentliche Voraussetzungen für den häufigen Einsatz kollaborativer Roboter (Cobots) bereits gegeben. Daher könnte es durchaus sein, dass diese Cobots schon ab 2025 auf breiter Front mit dem Menschen zusammenarbeiten.

Bei Exoskeletten, bei denen es sich um mechanische Stützstrukturen für den menschlichen Körper handelt, ist die Forschung hingegen noch nicht so weit. Dies betrifft sowohl aktive als auch passive Modelle. Gelöst werden müssen z. B. noch Probleme rund um Sicherheitsstandards und regulative Vorgaben sowie im Hinblick auf die Akzeptanz durch die Benutzer. Somit dürften Exoskelette vermutlich frühestens 2025–2030 regelmäßig in der Industrie eingesetzt werden.

Bei allen Technologien rund um die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter sind die Aspekte der kognitiven Ergonomie umfassend einzubeziehen, da die Qualität der Interaktion zwischen Cobot und Mensch die Leistung des Arbeitsprozesses bestimmt.

Ergonomische Bewertungen auf Basis von künstlicher Intelligenz und Computer Vision

Innerhalb von 5–10 Jahren dürfte es so weit sein, dass ergonomische Bewertungen mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) und Computer Vision (CV) durchgeführt werden. Somit könnten diese Technologien dazu beitragen, das Risiko von aMSE zu verringern.

Obwohl einige der Anwendungen bereits auf dem Markt verfügbar sind, besteht noch Entwicklungsbedarf. Da auch mentale und physiologische Erschöpfung Risikofaktoren für aMSE darstellen, wird der Einwand erhoben, das Gesamtrisiko ließe sich mit biomechanische Aspekten allein nicht ermitteln.  Somit sollten diese Faktoren ebenfalls in die Bewertung einfließen. Um dem Problem der Erschöpfung während der Arbeitsschicht entgegenzuwirken, gibt es bereits Anwendungen auf dem Markt, die physiologische Messungen vornehmen und daran erinnern, frühzeitig Pausen einzulegen, um während der Schicht fit zu bleiben.

Ergonomie gut, Rentabilität gut: effektives Design neuer Technologien erforderlich  

Bei dem Kongress wurde deutlich, dass bei der Gestaltung oder Entwicklung der neuen Technologien allzu oft ein entscheidender Bereich nicht berücksichtigt wird: die Interaktion zwischen Mensch und Maschine bzw. die Ergonomie.

Dies steht im Widerspruch zum Wunsch der Unternehmen, ihre Leistung zu steigern und zugleich die Arbeitsfähigkeit ihrer Beschäftigten zu verbessern.

Ergonomie stellt zwar nicht notwendigerweise ein Ziel dar, kann aber als Nebeneffekt in beeindruckender Weise die Produktivität und das Wohlbefinden erhöhen. Oder wie es der ehemalige Präsident der IEA, Hal W. Hendrik, treffend formulierte: „Ergonomie gut, Rentabilität gut“. Daher kommt es vor allem darauf an, wie gut wir bei der Entwicklung und der Implementierung dieser neuen Technologien an unseren Arbeitsplätzen einen menschenorientierten Ansatz einbeziehen können.

Jonna Patama, Treston Product Group Manager

Treston ist Mitglied der IEA und beteiligt sich aktiv an Studien und Diskussionen im Bereich Ergonomie.  

Verwendete Quellen: Vorträge bei der 21. Auflage des dreijährig stattfindenden Kongresses der International Ergonomics Association, ein Dankeschön an alle Forscher und Experten aus der Praxis. 

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